Das Problem mit der Schuldenbremse

Wie der Mittelstand nachhaltig abgehängt wird

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Kleine und mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat der Gesellschaft. Und als solches tragen sie oft auch die Last der Gesellschaft. Ein kopflastiges System kann die Unternehmenslandschaft so früher oder später ins Ungleichgewicht führen. Die Schuldenbremse zwingt öffentliche Institutionen dazu, bei Investitionen zu sparen, oft auf Kosten der Qualität und zugunsten billigerer Anbieter aus dem Ausland. 

Niedrige Kosten um jeden Preis

Die Produktionskosten in Deutschland sind im internationalen Vergleich extrem hoch. Das zeigte sich kürzlich in Leverkusen. Um die marode Rheinbrücke möglichst kostenschonend zu ersetzen, entschieden die Projektverantwortlichen der zuständigen Straßenbauverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Stahlbauteile aus China zu beziehen. Dort ist die Stahlproduktion aufgrund niedrigerer Energiepreise und geringerer Arbeitskosten deutlich günstiger als in Deutschland – und insgesamt trotz des weiteren Transports unschlagbar.

Dass günstig jedoch nicht immer auch preiswert bedeutet, stellte sich bei der Qualitätsprüfung heraus: Die Qualität des Stahls war ähnlich niedrig wie dessen Produktionskosten. Die gelieferten Bauteile aus China wiesen erhebliche Mängel auf, darunter fehlerhafte Schweißnähte und ein unzureichender Korrosionsschutz. Dadurch kam es erst zu Verzögerungen und schließlich einer Neuausschreibung des gesamten Projekts. Letzten Endes muss bei einem solchen Projekt vor allem die Qualität stimmen, und nur nachrangig der Preis. 

Der Fall der Leverkusener Rheinbrücke macht dennoch ein Problem deutlich: Die Produktionskosten sind in Deutschland aus verschiedenen Gründen derart hoch, dass manche Hersteller in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil haben. Nun lassen sich die nun am Neubau beteiligten Firmen wie SEH Engineering GmbH oder Hochtief keineswegs als KMU bezeichnen. Dennoch wird an diesem Beispiel deutlich, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland zwar für Qualität steht, diese jedoch nur zu einem hohen Preis garantiert werden kann. 

Die Rolle der Schuldenbremse

Das liegt unter anderem an der viel diskutieren Schuldenbremse. Die 2009 eingeführte Schuldenbremse ist ein zentraler Faktor für solche Entscheidungen. Sie verpflichtet Bund und Länder, ihre Haushalte ohne neue Schulden auszugleichen. Ziel dieser Regelung ist es, die Staatsverschuldung langfristig zu begrenzen. Doch Kritiker argumentieren, dass die Schuldenbremse notwendige öffentliche Investitionen einschränkt – insbesondere in Infrastrukturprojekte, die langfristig für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung wichtig sind. Der Wunsch, keine langfristigen Anleihen bei nachfolgenden Generationen zu machen, lässt die Schuldenbremse durchaus gerecht gegenüber jungen Menschen wirken. Doch längst geht es bei der Sorge um kommende Generationen nicht nur zum Geld – sondern vor allem um das Klima. Und auch hier scheint die Schuldenbremse durchaus problematisch zu sein. Klimaschützer kritisieren, dass die Schuldenbremse nicht nur den Klimaschutz behindere, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) trifft, die auf Investitionen in nachhaltige Projekte angewiesen sind. Fehlende öffentliche Mittel führten dazu, dass KMU, die innovative Lösungen im Bereich erneuerbare Energien, grüne Technologien oder nachhaltige Produktion anbieten, weniger Unterstützung erhalten.

Nachhaltigkeit in Gefahr

Die Heinrich-Böll-Stiftung warnt, dass ohne Reformen der Schuldenbremse klimafreundliche Transformationen ins Stocken geraten könnten – ein Bereich, in dem KMU als Treiber von Innovationen oft eine Schlüsselrolle spielen. Wenn öffentliche Gelder nicht gezielt für nachhaltige Infrastruktur oder Technologien bereitgestellt werden, verlieren KMU Aufträge und Marktchancen. Klimaschützer fordern daher, die Schuldenbremse so anzupassen, dass sie gezielte Investitionen in Klimaschutz und regionale Wirtschaftsförderung ermöglicht – Maßnahmen, die sowohl die Umwelt als auch KMU stärken könnten.

Der Ökonom Prof. Dr. Peter Bofinger findet für die Schuldenbremse deutliche Worte: In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen bezeichnete er sie als „Zwangsjacke, die staatliche Investitionen massiv einschränkt“. Und gegenüber dem Focus sagte er, dass Deutschland in dieser Hinsicht „Geisterfahrer“ sei. Zudem sei die Schuldenbremse „zukunftsfeindlich“. Er mahnt, dass zusätzliche Investitionen, die für eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit erforderlich sind, so kaum möglich seien. Deshalb könne man sehen, wie die Bremse „in unsere Zukunftsgestaltung einschneidet“. Diese Aussagen unterstreichen Bofingers Ansicht, dass die Schuldenbremse notwendige staatliche Investitionen behindert und somit die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit Deutschlands gefährdet.

Ein Balanceakt zwischen Kosten und echter Nachhaltigkeit

Kurze Lieferketten und die Einhaltung hoher Umweltstandards sind wichtige Bausteine für eine nachhaltige Wirtschaft. Gleichzeitig sind sie häufig mit höheren Kosten verbunden, die in Zeiten knapper Kassen nicht immer priorisiert werden. Der Neubau der Leverkusener Rheinbrücke zeigt die schwierigen Entscheidungen, vor denen öffentliche Auftraggeber stehen. Während der finanzielle Druck kurzfristige Einsparungen nahelegt, können diese langfristig zu höheren Kosten und Verzögerungen führen. Die Diskussion um die Schuldenbremse verdeutlicht, wie schwierig es ist, eine Balance zwischen Haushaltsdisziplin und Nachhaltigkeit zu finden.

Auf einen Blick

1. Warum betrifft die Schuldenbremse KMU direkt?
Die Schuldenbremse führt oft dazu, dass öffentliche Investitionen in Infrastruktur und nachhaltige Projekte gekürzt werden. KMU, die von regionaler Nachfrage und stabiler Infrastruktur abhängig sind, verlieren dadurch wichtige Aufträge und Marktchancen.

2. Wie können KMU trotz der Schuldenbremse nachhaltig wirtschaften?
Neben staatlichen Programmen wie den KfW-Umweltkrediten gibt es regionale Initiativen, EU-Förderungen und private Finanzierungslösungen wie Green Bonds, die speziell auf nachhaltige Projekte zugeschnitten sind.

3. Wie können KMU Teil öffentlicher Projekte werden?
Eine gezielte Beteiligung an Ausschreibungen mit Nachhaltigkeitskriterien bietet Chancen. Kommunen und Bund setzen zunehmend auf nachhaltige Vergaben, in denen KMU durch ihre lokale Nähe und Umweltstandards punkten können.

4. Wie können Entscheider in KMU politische Veränderungen wie die Schuldenbremse beeinflussen?
KMU-Verbände und Netzwerke bieten Plattformen, um die Interessen des Mittelstands gegenüber der Politik zu vertreten. Gemeinsam können sie Reformen wie die Anpassung der Schuldenbremse fordern, um nachhaltige Investitionen zu ermöglichen.

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