Familienunternehmen haben oft eine bewegte Vergangenheit. Doch immer öfter fehlt ihnen genau das Gegenteil: eine lebendige Zukunft. Immer mehr Familienunternehmen stehen vor besonderen Herausforderungen – emotional, organisatorisch und strategisch. Gründerin der Agentur Storypark und Führungskräfte-Coach Eva Friese begleitet Unternehmen durch diesen Prozess und weiß: „Eine gelungene Übergabe beginnt nicht mit einem Notartermin, sondern mit einem Bewusstseinswandel.“
Emotionale Tiefe
„Im Vergleich zu nicht familiengeführten KMU ist die emotionale Fallhöhe in Familienunternehmen deutlich höher“, sagt Friese. „Das liegt zum einen daran, dass private und berufliche Themen viel stärker miteinander verwoben sind. Unternehmerische Entscheidungen werden nicht selten am Esstisch diskutiert. Zum anderen ist die Beziehung zwischen der scheidenden und der nachrückenden Generation besonders eng – oft sind Mitarbeitende mit den Nachfolgern aufgewachsen. Da schwingt immer auch eine Geschichte mit.“
Die Folge: Erwartungen sind oft unausgesprochen, aber hoch. „Gerade, wenn Kinder übernehmen sollen, ist der Druck immens. Es wird mehr erwartet als von externen Geschäftsführenden – und das kann schnell zu Überforderung oder innerem Rückzug führen.“
Rechtzeitige Planung
„Fünf bis zehn Jahre vor der geplanten Übergabe sollten Unternehmen mit der strategischen Vorbereitung beginnen“, so Friese. „Das gibt allen Beteiligten genug Raum für Entwicklung und Reflexion. Die wichtigsten ersten Schritte sind dabei immer gleich: Klarheit über die Ziele schaffen – will ich, dass alles so bleibt? Oder ist Veränderung erwünscht? Dann: potenzielle Nachfolgenden identifizieren und einbinden. Und schließlich: eine strategische Roadmap entwickeln, die auch Kompetenzaufbau, Rollenklärung und rechtliche Struktur mitdenkt.“
Besonders wichtig: „Fragen Sie die Familie ehrlich, wer überhaupt übernehmen will – und wer nicht. Nur so lassen sich spätere Brüche vermeiden.“
Rechtlich sauber arbeiten
„Ich bin keine Juristin“, stellt Friese klar, „aber ich sehe immer wieder, wie oft Nachfolgen an ganz klassischen rechtlichen und steuerlichen Themen scheitern.“ Dazu gehören etwa unklare Erbregelungen, fehlende Notfallpläne oder ungenaue Gesellschaftsverträge. „All das kann zu massiven Blockaden führen – und nicht selten zur Zerschlagung des Lebenswerks. Nachhaltig ist das nicht.“
Besonders riskant: „Wenn die Unternehmensbewertung nicht realistisch vorgenommen wird, kann das für die Nachfolger*innen schnell zu einem finanziellen Risiko werden.“
Der unterschätzte Hebel
„Der größte Feind einer gelungenen Nachfolge ist das, was nicht ausgesprochen wird“, betont Friese. „Emotionale Widerstände – etwa das Gefühl, nicht loslassen zu können – müssen auf den Tisch. Dabei hilft es enorm, eine neutrale dritte Person zur Mediation oder Moderation hinzuzuziehen.“ Coaching kann dabei ein zentrales Werkzeug sein – für beide Seiten. „Die einen müssen loslassen, die anderen wachsen. Das ist ein Prozess, und der braucht Begleitung.“
Modelle für die Zukunft
Welche Nachfolgemodelle besonders zukunftsfähig sind? „Wenn die Voraussetzungen stimmen, ist eine familieninterne Nachfolge natürlich ideal. Das schafft Kontinuität, Kulturbindung und oft auch Innovationskraft – vorausgesetzt, die nächste Generation ist wirklich motiviert und bringt eigene Ideen mit.“ Gleichzeitig sieht Friese auch im Management-Buy-Out ein stabiles Modell: „Das interne Team kennt das Unternehmen und die Kultur. Das kann sehr gut funktionieren.“ Beim Management-Buy-In hingegen sieht sie die Herausforderung in der Einarbeitungszeit: „Aber frischer Wind kann natürlich auch wichtig sein – gerade, wenn Nachhaltigkeit und Innovation gewünscht sind.“ Mischmodelle – etwa eine Kombination aus familieninterner Führung und externen Investoren – bewertet Friese als „spannend und zunehmend relevant“.
Mitarbeitende sind der Schlüssel
„Für mich ist klar: Mitarbeitende und Führungskräfte sind die wahren Kulturträger eines Unternehmens – sie machen den Unterschied“, sagt Friese. „Deshalb ist es essenziell, sie frühzeitig und transparent einzubinden. Nur so entsteht Vertrauen.“
Nachfolge sei keine Solo-Nummer. „Es geht darum, gemeinsam eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. Dafür brauchen viele Führungskräfte neue Rollen, Weiterbildung – und ein klares Mandat.“
Der ideale Zeitplan
Wie sieht also ein idealer Übergabeprozess aus? „Fünf bis zehn Jahre vorher definieren wir die Strategie, klären Ziele und identifizieren mögliche Nachfolgerinnen. Drei bis fünf Jahre vorher beginnen wir mit der gezielten Entwicklung der Nachfolgerinnen – mit Weiterbildung, Coaching, Verantwortungsübergabe.“
Ein bis drei Jahre vor dem Wechsel wird der Übergang konkret geplant: rechtlich, steuerlich, kommunikativ. „Und im letzten Jahr geht’s dann um die offizielle Übergabe – samt externer Kommunikation an Kunden und Partner.“
Übergabe mit Substanz
Zur frühzeitigen und nachhaltigen Übergabe zählt auch, die entsprechenden Personen als Marke intern und extern aufzubauen. „Ein Verständnis für die eigenen Werte und Ziele zu entwickeln ist dabei nicht nice to have, sondern Teil des Gestaltungsprozesses“, erzählt Friese. „Erst daraus entwickeln sich die konkreten Maßnahmen und Entwicklungsschritte.“
Oft ist es sinnvoll, die Übergabe fließend zu gestalten: So kann in einem Familienunternehmen beispielsweise die Tochter und Nachfolgerin schrittweise eigene Strukturen aufbauen, während sich der Vater zurückzieht. Dabei ist eines besonders wichtig: „Die Mitarbeitenden müssen von Anfang an einbezogen werden – gemeinsame Workshops, klare Kommunikation und Schulungen sind essenziell, um den Übergabeprozess für alle positiv zu gestalten.“
Kommunikation nach innen und außen
„Ich unterstütze Unternehmen dabei, eine stimmige Nachfolge-Strategie zu entwickeln – inhaltlich, emotional und kommunikativ. Wie kündige ich den Abschied an? Wie führe ich die neue Generation ein? Welche Botschaften funktionieren intern, welche extern?“ – Besonders wichtig sei die Story der Nachfolge. „Eine gute Geschichte schafft Glaubwürdigkeit, Orientierung und Verbundenheit. Sie macht es allen Beteiligten leichter, sich auf Neues einzulassen.“
Nachhaltigkeit beginnt im Inneren
Für Eva Friese ist klar: Eine nachhaltige Nachfolge ist kein reines Formalien-Thema. „Es geht um kulturelle, strategische und emotionale Nachhaltigkeit. Denn Nachfolge ist nicht das Ende – sondern eine enorme Chance für Erneuerung.“ Mit dieser Erkenntnis ist der wichtigste Schritt in die Zukunft bereits getan.